Versteckt in der Abgeschiedenheit des Turtmännertals offenbart sich ein wahres Naturwunder: der 42 Meter hohe Wasserfall von Turtmann. Nur wenige Gehminuten vom Dorf entfernt, führt ein gut zugänglicher Weg in diese mystische Idylle. Doch wie es das Turtmännerlied treffend beschreibt: „Mu gseht nix vam Wassärfall, bis mu isch bis dra“ – der Wasserfall bleibt bis zuletzt verborgen, ein Geheimnis der Natur, das erst im letzten Moment preisgegeben wird.
Am Ziel angekommen, entfaltet sich seine volle Pracht: Tosendes Wasser, das unaufhaltsam in die Tiefe stürzt, umgeben von erfrischender Kühle und beruhigendem Rauschen. Dieser Ort ist ein wahrer Kraftplatz – ein Refugium, das Sie einlädt, innezuhalten, durchzuatmen und die Verbundenheit mit der Natur zu spüren.
Der Wasserfall von Turtmann: Mittendrin und doch weit weg – ein Erlebnis, das unvergesslich bleibt.
Das Messamt auf der Hungerlialp
Im Tal unten fiel es dem Pfarrer immer wieder auf, dass die Familie von der Hungerlialp nie zur Messe erschien. Die Alp lag zwar weit entfernt im Bergtal, doch für die Walliser war das kein Hindernis. Früher hatten die Sennen noch größere Distanzen überwunden, ohne je zu spät zur Kirche zu kommen. Dass die Familie niemals erschien, nicht einmal zu großen Festen wie Mariä Himmelfahrt, konnte der Geistliche nicht nachvollziehen.
Also beschloss er, der Sache auf den Grund zu gehen, und stieg eines Tages zur Hungerlialp hinauf. Dort traf er zunächst nur die Kinder an, die erklärten, die Eltern seien „zur Messe“ – eine Antwort, die den Pfarrer irritierte. Wo, fragte er sich, sollte es hier oben eine Kirche geben?
Als die Eltern später heimkehrten, feierten sie den unerwarteten Besuch des Pfarrers mit einer herzlichen Mahlzeit. Doch während des Essens bemerkte der Geistliche etwas Merkwürdiges: Die Teller wurden nicht leer, egal wie viel gegessen wurde. Nach dem Essen bot der Senne an, dem Pfarrer ihre „Messe“ zu zeigen.
Gemeinsam stiegen sie höher hinauf, durch dichte Wälder und sonnige Wiesen, bis sie zu einer kleinen Lichtung kamen. Inmitten der grünen Idylle lag ein flacher Stein mit einer Vertiefung, die von klarem Wasser gefüllt war. „Das ist unser Himmelswasser“, erklärte der Senne und bat den Pfarrer, sich auf den linken Fuß zu stellen und über die rechte Schulter zu schauen.
Der Pfarrer tat es – und erblickte den Himmel in strahlender Schönheit. Doch als er sich auf den rechten Fuß stellte und über die linke Schulter schaute, sah er die Hölle in all ihrem Schrecken. Tief bewegt bekreuzigte er sich mit dem Wasser aus der Vertiefung und schwieg, als sie gemeinsam zur Alp zurückkehrten.
Zum Abschied gab der Pfarrer den Sennen seinen Segen. „Ihr seid fromme Christen“, sagte er. „Fahrt fort mit eurer Messe, ihr bedürft meiner nicht.“
Kurze Zeit später legte der Pfarrer sein Amt nieder und zog sich als Einsiedler ins Turtmanntal zurück. Elf Jahre lang lebte er in stiller Abgeschiedenheit, bis ihn eines Nachts der Tod in seiner Klause fand.
Zugang
Der Wasserfall ist im Sommer und Winter zugänglich.