Der Weg zum Bärenloch ist eine Reise, die nicht nur die Beine fordert, sondern auch die Seele nährt. Zuerst windet sich der Pfad vorsichtig über ein schmales Felsband, das in seiner Schroffheit fast ehrfürchtig anmutet. Je näher man dem Ziel kommt, desto steiler wird der Anstieg – ein Prüfstein für Trittsicherheit und Entschlossenheit. Doch die Belohnung folgt auf dem Fuße: Plötzlich, wie aus dem Nichts, öffnet sich rechterhand ein mächtiges Portal aus Stein. Dreißig Meter breit und zwanzig Meter hoch ragt es empor, wie eine natürliche Kathedrale, errichtet von der Geduld der Jahrtausende. Licht fällt durch eine Spalte in der Decke herab, malt goldene Muster auf die kühle Felswand und verstärkt die sakrale Anmut des Raumes. 

Drinnen umfängt einen eine tiefe Stille, die mehr ist als bloßes Schweigen der Welt – sie scheint aus einer Zeit zu stammen, in der die Menschen noch im Einklang mit der Natur lebten. Gleichzeitig lockt der Blick nach draußen, ins weite Tal und auf die schroffe Nordseite des Balmbergs. Von hier aus erscheint die Welt unten klein und fern, und das Herz wird leicht, als könne es mit dem Wind über die Landschaft hinwegfliegen. Doch inmitten dieser Freiheit fühlt man sich merkwürdig geborgen, wie in einer steinernen Wiege, die den Wanderer sanft umschließt.

Die Geschichte des Bärenlochs trägt ein geheimnisvolles Echo mit sich. Einst, so will es die Vorstellung, könnten Bären hier Rast gefunden haben – jene majestätischen Wesen, die für unsere Ahnen zugleich Furcht und Ehrfurcht verkörperten. Vielleicht war diese Höhle ein Ort, an dem die frühen Bewohner der Region ihren Glauben in den Tanz von Licht und Schatten meißelten, in Zeremonien, die uns heute verloren erscheinen. Funde in der Umgebung legen nahe, dass Menschen seit Jahrtausenden in diesen Tälern lebten. Ihr Verhältnis zur Natur war inniger, und Höhlen wie das Bärenloch galten ihnen als heilige Schwellen zwischen den Welten.

In der Atmosphäre der Höhle schwingt etwas Uraltes mit – eine Tiefe, die fast greifbar ist. Für jene, die sich dem öffnen, fühlt es sich an wie das Flüstern eines vergessenen Gebets, das über die Jahrhunderte getragen wurde. Doch mit dem Verschwinden der Bären aus Europa verstummte auch ein Teil dieser uralten Verbindung. Schamanen sagen, wir hätten mit den Bären auch einen Teil unserer eigenen Seele verloren. Hier, in diesem stillen, ehrwürdigen Raum, mag der Gedanke aufkeimen, ihnen eine Rückkehr zu wünschen – nicht nur in die Wälder, sondern in die tiefen Schichten unseres Wesens.

Der Balmriese

Wer zu Fuß oder auf Rädern den Oberen Leberberg hinunterkommt, erblickt beim Balmfluechöpfli das versteinerte Gesicht eines sonderbaren, alten Mannes. Griesgrämig hängt er am Abgrund und blickt hinüber in die Innerschweiz. Dies ist der Balmries.

In uralten Zeiten lebten in unserer Gegend riesenhafte Familien – im Jura, in den Voralpen und den Alpen. Wie es so ist, hatten sie miteinander oft etwas auszutragen. Besonders der Pilatusries, ein gewaltiger Rabauke, konnte es nicht lassen, die Jurawände als Zielscheiben zu missbrauchen und Steine hinüberzuschleudern. Noch heute zeugen die vielen erratischen Blöcke an den Südhängen unseres Berges von seinem wilden Treiben.

Eines Tages aber trieb er es zu weit. Der Pilatusries schleppte einen riesigen Stein herbei – so groß wie ein Haus – und wollte ihn über die Jurakette werfen, um die schönsten Gipfel zu zertrümmern. Der Balmries, von dieser Anmaßung empört, stellte sich ihm in den Weg. Es kam, wie es kommen musste: Ein gewaltiger Streit brach aus.

Die beiden Riesen gerieten in einen wütenden Zweikampf. Steine flogen, Felsbrocken zersprangen, die Erde bebte. Der Balmries packte den Pilatusries am Bein und brachte ihn zu Fall. Doch der Pilatusries war ebenso zäh und richtete sich wieder auf. Mit einem kräftigen Schlag schickte er den Balmries zu Boden. Dieser blieb eine Weile liegen, bevor er sich mit einem mächtigen Stoß wieder zurückkämpfte.

Der Kampf tobte hin und her, und die Erde stöhnte unter ihrer Last. Schließlich jedoch machte der Pilatusries einen gewaltigen Satz, packte den Balmries und schmetterte ihn mit einem gewaltigen Ruck auf den Rücken. Der Balmries blieb regungslos liegen. Er starrte nur noch, wie der Pilatusries stolz über das Land zog. In seinem Zorn und seiner Scham verharrte er – und wurde zu Stein.

Der riesige Felsbrocken, den der Pilatusries fallen ließ, kann man heute noch am Steihof bewundern. Auch wenn viel davon weggesprengt wurde, ist er immer noch eine eindrucksvolle Erscheinung. Die beiden Mulden, die bei dem Kampf entstanden, haben sich mit Wasser gefüllt. Sie sind heute bekannt als der Burgäschisee und der Bolkesee.

So erzählt man sich die Geschichte von den beiden ungestümen Riesen, deren Kräfte einst Berge bewegten und Landschaften formten – und deren Erbe bis heute in unserer Landschaft sichtbar bleibt.

Zugang

Die Höhle ist nach einem steilen Anstieg zugänglich. Trittfeste Schuhe mitnehmen.

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